Ich bin Jahrgang 1969. Gemalt habe ich gefühlt schon immer: eine Art Selbsttherapie.
Ich liebte meine Kindergärtnerin und betrat nach dem Abitur die Bankenlandschaft. Dort habe ich einige „anständige“ Dinge gelernt: Projekte zu organisieren und zu koordinieren, Organisationen in
Veränderungsprozessen zu begleiten, ihre Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit zu beurteilen, strukturiert und zielorientiert zu arbeiten, Teams zu betreuen und anzuleiten,
Verhandlungsgeschick zu entwickeln...
In all den Jahren war mir immer wichtig, in Kooperation mit meinen Kolleg*innen und Kund*innen an der Sache orientiert mit gegebenen Mitteln bestmögliche, stimmige Lösungen zu erarbeiten. Und
dabei die Menschen hinter den Funktionen nicht aus den Augen zu verlieren.
Ein glatter Lebenslauf bis hierher, inklusive Hochzeit und Hausratversicherung.
2005 starb mein großer Bruder an Krebs.
2011 musste ich die Hoffnung auf ein Kind, namentlich meine Tochter „Ronja“, endgültig begraben. Was ich auch symbolisch im Garten tat.
Der bisher so ebene Weg hatte Schlaglöcher bekommen... und ich stolperte und fiel. Was fange ich nun mit meinem Leben an? Welchen Sinn hat mein Leben? Auch: welche Berechtigung? Nach zähen
Entscheidungsprozessen kündigte ich meine Stelle, ohne zu wissen, wie es für mich weitergeht. Zunächst wartete die REHA auf mich.
Bankprojekte sollten es fortan nicht mehr sein, die mein Leben bestimmten – wohl aber Menschen, vor allem diejenigen, die eher etwas abseits stehen (müssen). 2014 schloss ich eine Fortbildung zur
Schulbegleiterin (Inklusion) ab. Die damaligen Erfahrungen und Erlebnisse mit Menschen mit Behinderung bereichern mich bis zum heutigen Tag: Kinder, die mit ihrer Einschränkung soviel Kraft und
Lebenswillen ausgestrahlt haben und jenseits der Schublade, in die sie gerne gesteckt werden, vor allem eins sind: Mensch!
Im selben Jahr entdeckte ich die Werkstatt für Kunst und Therapie in Münster und begann dort eine dreijährige Ausbildung zur Kunsttherapeutin, die ich 2017 abschloss. Zur Vertiefung meiner
Erfahrungen und Kenntnisse arbeitete ich dort zwei weitere Jahre als Assistentin und betreute in dieser Funktion zwei Ausbildungsjahrgänge. Jenseits der beruflichen Perspektiven habe ich dort
etwas viel Wichtigeres gefunden: MICH. Einen liebevollen Kontakt zu mir. Und nährende Freundschaften.
Rückblickend sage ich über diese Zeit, in der meine bis dahin so „geordnete Existenz“ einen tiefen Riss bekam, dass sie mir mein Leben gerettet hat – ich war gezwungen, mich zu suchen und hatte
das Glück, mich zu finden.
Ohne meine Kreativität und die vielen ermutigenden Begleitungen wäre ich nie in meiner heutigen Lebendigkeit angekommen – und genau das möchte ich gern weitergeben.